Stellungnahme der Alhambra Gesellschaft e.V. zur Anhörung im Ausschuss für Schule und Bildung zum 14. Schulrechtsänderungsgesetz (Drs. 17/5618 und Drs. 17/5638) am 28.05.2018

Plenarsaal des Landtags NRW (Moritz Kosinsky / Wikipedia)

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum Gesetzesentwurf nehmen wir wie folgt Stellung:

Die Alhambra Gesellschaft begrüßt grundsätzlich die Einführung eines Übergangsgesetzes zur Aufrechterhaltung und Weiteretablierung des islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen.

Spätestens mit der Etablierung eines ersten Islamischen Religionsunterrichts an Schulen in Nordrhein-Westfalen wurde deutlich, dass es einen Bedarf für diesen Unterricht und eine Nachfrage bei muslimischen Eltern und SchülerInnen gibt. Dies zeigt sich u.a. in der Zahl der teilnehmenden SchülerInnen von mittlerweile 19.400 SchülerInnen im Schuljahr 2017/18. Angesichts der Gesamtzahl von rund 415.000 muslimischen Schülern an Schulen in NRW scheint der Ausbau des Islamischen Religionsunterrichts noch weit hinter dem vorhandenen Potential zurückzubleiben. Für die weitere Entwicklung des IRU in NRW sollte die Frage nach den Ursachen für diesen schleppenden Ausbau gestellt und verfolgt werden.

Mit den nun eingereichten zwei Gesetzesanträgen wird deutlich, dass es weiterhin eine breite Basis im Landtag NRW für die Fortführung des IRU gibt. Der Regelungsgehalt der Drs. 17/5618 in Form einer Verlängerung der bestehenden gesetzlichen Regelung erscheint jedoch nicht als zielführend. Die Übergangsvorschrift des § 132a SchulG wurden im 6. Schulrechtsänderungsgesetz auch mit der Aussicht befristet, bis zum Auslaufen des Gesetzes möge eine Entwicklung in der Institutionalisierung und der statusmäßigen Klärung der Religionsgemeinschaftseigenschaft der muslimischen Organisationen innerhalb des Koordinationsrates der Muslime eintreten, die eine Etablierung eines IRU nach § 31 SchulG NRW ermöglichen sollte.

Angesichts der seitdem eingetretenen tatsächlichen Entwicklungen erscheint dieses als mittelfristig wahrgenommene Ziel kaum mehr realisierbar. Es ist nicht abzusehen, ob solch ein statusrechtlicher Prozess in den nächsten fünf Jahren abgeschlossen werden kann. Aus diesem Grund macht es Sinn, ausgehend von den Erfahrungen des bisherigen islamischen Religionsunterrichts gem. § 132 a, den Status Quo nicht weiter fortzuführen, sondern diese neuen Entwicklungen in die nächste Phase einfließen zu lassen.

Seit der Verabschiedung des § 132a SchulG hat sich die muslimische Community weiterentwickelt. Von der in der Zeit der Einführung des § 132a SchulG vorhandenen Entwicklung hin zu gemeinsamen Strukturen, die sich in dem Entstehen und der Arbeit im Koordinationsrat der Muslime manifestierte, ist mittlerweile kaum etwas übriggeblieben. Zum einen werden muslimische Gemeinschaften, die bereits seit längerem Moscheegemeinden betreiben, aber nicht im KRM organisiert sind, im öffentlichen Diskurs immer häufiger wahrgenommen. Zum anderen entwickelt sich die gesamte muslimische Zivilgesellschaft in eine Richtung weiter, die aus einem Festschreiben des aktuellen Status Quo über eine längere Zeit einen Eingriff in die selbstgestalterischen Kräfte innerhalb der muslimischen Community werden ließe. Insofern ist eine offene Regelung, die zukünftige Entwicklungen innerhalb der muslimischen Verbandslandschaft berücksichtigen kann, ohne eine völlige Neuordnung der etablierten Prozesse und Rahmenverhältnisse zu erfordern, vorzuziehen, als eine Festschreibung des Beteiligtenkreises auf den KRM oder einige wenige zusätzliche Akteure.

Der Entwurf Drs. 17/5638 baut weitgehend auf dem bisher geltenden § 132 a SchulG auf, nimmt jedoch weitgehende redaktionelle und inhaltliche Veränderungen vor. In § 132 a Abs. 2 SchulG-E wird als Adressat des Gesetzes Organisationen angesprochen, die ihrem “Selbstverständnis“ nach „landesweite tätig” sind und die Aufgaben wahrnehmen, “die für die religiöse Identität ihrer Mitglieder oder Unterorganisationen wesentlich sind”. Ob diese Formulierung die Kommission vor einer völligen Zerfaserung der Teilnahmekriterien an der weiter unten eingeführten Kommission schützen wird, dürfte nicht gesichert sein. Dem könnte entgegen gewirkt werden, wenn unter anderem der Betrieb und die Aufrechterhaltung von Moscheegemeinden als Mindestkriterium für die Mitgliedschaft in der Kommission berücksichtigt wird. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Schwelle für die Mitwirkung dermaßen herabgesenkt wird, dass auch religiöse Bildungsinitiativen oder reine religiöse Interessenvertretungen und Berufsverbände, die sich nicht hin zu einer Religionsgemeinschaft entwickeln wollen, Eingang in die Kommission finden. Das Kriterium der vorhandenen Moscheegemeinde sollte ausschlaggebend dafür sein, ob ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen dem Land und der betreffenden Organisation abgeschlossen wird.

Der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gemäß Abs. 3 s als formeller Regelungsrahmen ist zu begrüßen, da damit Rechtsicherheit für die Konstitution und Arbeit in der Kommission (Abs. 6) hergestellt werden kann. Aber auch die mitwirkenden Organisationen hätten somit über den Zugang zum Verwaltungsrechtsweg eine Anspruchsgrundlage, die mit verhindern kann, in politisch turbulenteren Zeiten die Mitwirkung des Verbandes nicht zur politischen Disposition zu stellen.

Die Anmelde- und Abmelderegelung gemäß Abs. 4 hat sich in der bisherigen Umsetzung bewährt und sollte beibehalten werden.

Die Bildung einer staatsfernen Kommission für den islamischen Religionsunterricht war bereits bei der Einführung des §132 a bisherige Fassung notwendig, konnte mit dem etablierten Beirat jedoch nicht umgesetzt werden. Das Aufbrechen dieser bisher neutralitätswidrigen Verschränkung von staatlichen Vertretern und Vertretern der beteiligten Organisationen im bisherigen Beirat ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ebenfalls ist die Verweisung in Abs. 6 auf die §§ 30 und 31 SchulG ein notwendiger Schritt, um auf die etablierten Prozesse und Regelungen im Rahmen der Religionsunterrichte nach § 31 zurückgreifen zu können und für den IRU nicht völlig 3 neue Verfahren einführen zu müssen, die die Gefahr der Ungleichbehandlung mit sich bringen.

Eine gleichmäßige Besetzung der Kommission mit jeweils einem fachlich qualifizierten Vertreter der mitwirkenden Organisation ist einer an der Größe orientierten Besetzung vorzuziehen. Tatsächlich erscheint die Berücksichtigung von Größenverhältnissen zumindest aktuell und in den nächsten Jahren kaum möglich zu sein. Es existiert keine einvernehmliche Metrik und Kriterienkatalog zwischen den muslimischen Gemeinschaften hinsichtlich ihrer Mitgliederzahl. Eine unabhängige Überprüfung der Eigenangaben der Gemeinschaften erscheint wegen oftmals fehlender Transparenz kaum möglich. Zudem sollte im Bereich des Bekenntnisses dem sachlich- und fachlichen Argument der Vorzug geben werden, als einem von der Größe abgeleiteten Vertretungsanspruch.

Ausgehend von der bisherigen Erfahrung mit der Arbeit des Beirates und des erwartbaren Hinzukommens neuer Mitglieder in der Kommission, sollte von Anfang an die Transparenz eine Obliegenheit für die Arbeit der Kommission sein. Dies könnte in dem öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt werden. Insbesondere das Ausformulieren und die öffentliche Zugänglichkeit der Kriterien zur Erteilung einer Idschaza, der Lehrbefugnis, wäre ein wichtiges Mittel, um das Vertrauen in die Kommission zu steigern.

Im bisherigen §132 a wurde die Finanzierung der Geschäftsführung gemäß Abs 7 vom Land übernommen. Im jetzigen Gesetzesentwurf wird eine finanzielle Unterstützung einer Geschäftsstelle im Gesetz nicht erwähnt. Eine entsprechende Regelung sollte im Entwurf berücksichtigt werden, damit die Funktionsfähigkeit der Kommission gewährleistet bleibt.

Der neu einzuführende Abs. 9 soll Religionsgemeinschaften im Sinne von Art. 7 Abs. III GG die Möglichkeit eröffnen, im Rahmen des § 132a SchulG-E mitzuwirken. Diese Regelung steht im Widerspruch zur Begründung der Notwendigkeit eines Übergangsgesetzes. Diese Notwendigkeit wird aus dem Fehlen einer vorhandenen Religionsgemeinschaft gemäß Art. 7 Abs. 3 GG abgeleitet. Sobald eine muslimische Gemeinschaft die Anforderungen an eine Religionsgemeinschaft iSd Art. 7 Abs. 3 GG erfüllt, fehlt es an einer Notwendigkeit für eine Übergangsregelung. Auf den § 132a Abs. 9 SchulG-E sorgt am Ende für mehr Probleme, als er als Öffnungsklausel lösen kann. Auf diese Öffnungsklausel sollte verzichtet werden.

Köln, den 21. Mai 2019

Die Stellungnahme als PDF: https://www.landtag.nrw.de/Dokumentenservice/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST17-1526.pdf

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