Zwischen Ethnisierung und Identitätsbehauptung: Wie kann ein neues deutsches Muslim-Sein jenseits einer (Selbst-)Ghettoisierung aussehen? Beitrag von Charlotte Wiedmann vom 26.09.208 in der taz.
Kann es einen „deutschen Islam“ geben, der nicht vom Innenministerium definiert wird? Sondern der im Gegenteil ein Ausdruck von Selbstbewusstsein und Emanzipation wäre? Die Debatte darüber wird hitzig geführt, nicht ganz zufällig just vor dem Besuch von Präsident Erdoğan – aber keineswegs nur deswegen.Das Deutsch-Islam-Projekt wird von einem Kreis jüngerer Intellektueller um die Alhambra-Gesellschaft vorangetrieben; dazu zählen der Publizist Eren Güvercin und die Islamwissenschaftlerin Nimet Şeker, auch zwei aktive Grüne sind dabei, sowie der Rechtsanwalt und Blogger Murat Kayman, allesamt bekannte Namen in der muslimischen Zivilgesellschaft jenseits der großen Verbände.
[…] Zunächst geht es dabei um die Rolle des größten Moschee-Verbands, die „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ (Ditib). Wenn Präsident Erdoğan am Sonnabend deren neue Zentralmoschee in Köln eröffnet, markiere das den Status der Ditib als bloße Deutschland-Filiale der türkischen Religionsbehörde, schreibt der Blogger Murat Kayman. AKP-nahe Medien werfen ihm und der Alhambra-Gesellschaft vor, die Muslime zu spalten und sich dem deutschen Staat an die Brust zu werfen. Die Veröffentlichung unabhängiger „Freitagsworte“ durch die Alhambristen ist aus dieser Sicht bereits ein Delikt.
„Dass jemand sein Gesicht der deutschen Gesellschaft zuwendet, ist für sie nur ein Zeichen der Anbiederung, der Gefallsucht oder der Selbstverleugnung“, schreibt Murat Kayman. „Sie kennen das Gefühl nicht, in Deutschland eine Heimat gefunden zu haben, ohne die türkische Heimat aufzugeben oder zu verleugnen. Diese Mehrdeutigkeit ist ihnen suspekt …“
[…] Eren Güvercin spricht von einem „entghettoisierten Islam“, der die geistigen ethnischen Ghettos überwinde. Spiritualität solle sich in deutscher Sprache ausdrücken, damit für die Mehrheitsgesellschaft nachvollziehbar sei, „warum es für deutsche Muslime schön ist, Muslim zu sein.“ Ein drittes Beispiel: Die Zakat, die muslimische Vermögenssteuer, solle nicht als Almosen ins Ausland transferiert werden, sondern ihrer religiösen Bestimmung gemäß zur Verantwortung für Bedürftige im eigenen Gemeinwesen genutzt werden – was ja nicht notgedrungen Muslime sind.
Den vollständigen Artikel finden Sie auf hier.