Die Alhambra Gesellschaft ist ein Zusammenschluss von Musliminnen und Muslimen, die sich als originärer Teil der europäischen Geschichte und ihrer jeweiligen europäischen Heimatgesellschaft verstehen. Ziel ist es, insbesondere jungen Muslimen ein breites Angebot im Bereich der politischen Bildung und der Kunst und Kultur zu machen, um somit eine positive Selbstwahrnehmung auf der Grundlage des Völkerverständigungsgedankens zu stiften.
Im gesellschaftlichen Diskurs über den Islam, in der medialen Behandlung der muslimischen Existenz in Europa und in der jeweiligen politischen Resonanz auf diese Diskurse und medialen Prägungen dominiert die Annahme, der Islam sei der europäischen Geschichte und gegenwärtigen gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit gegenüber als das antagonistische Fremde anzusehen. In nahezu allen Diskursen zu diesem Thema wird eine europäische Selbstwahrnehmung, vornehmlich durch Abgrenzung vom Islam und in der Negation von islamischen oder als islamisch definierten Werten und Eigenschaften konkretisiert. Dieses Phänomen bedingt den Effekt, dass der Islam und damit auch die Muslime in Europa als Gefahr der Überfremdung einer originär als nichtislamisch wahrgenommenen, vermeintlich kulturell höherwertigen europäischen Identität markiert werden. Es dominiert ein problemfixierter Diskurs, der den Islam und damit vor allem praktizierende Muslime als Ursache gesellschaftlicher Spannungen und Fehlentwicklungen beschreibt.
Einerseits führt die Dominanz einer solchen Wahrnehmung zu Ängsten innerhalb der nichtmuslimischen Gesellschaft und andererseits zu einem Minderwertigkeitskomplex insbesondere der von Migrationserfahrungen geprägten Muslime. Bei einer solchen diskursiven Rollenverteilung kann sich keine gedeihliche, auf den Fundamenten einer europäischen Gesellschaftsordnung ruhende Atmosphäre der gegenseitigen Stärkung und Förderung entwickeln. Muslime haben unter diesen Bedingungen keine Möglichkeit, ihre religiösen Überzeugungen hin zu einem konstruktiven Impuls für das Allgemeinwohl der gesamten Gesellschaft positiv zu entfalten. Vielmehr ist zu beobachten, dass sich insbesondere junge Muslime in eine konstruierte, nationalistisch und kulturell idealisierte Binnenidentität flüchten, die sich durch eine, die gesellschaftliche Zurückweisung überkompensierende Überhöhung des Eigenen bemerkbar macht. Eine solche geistige Fluchtbewegung hin zu einer Selbstisolation führt zu einer immer tieferen Spaltung der europäischen Gesellschaften, in denen durch Wechselwirkung dieser sich gegenseitig beeinflussenden Phänomene ein Klima des wechselseitigen Misstrauens und der zunehmenden Abgrenzung entsteht.
Die Alhambra Gesellschaft besteht aus Musliminnen und Muslimen, die sich mit dieser Entwicklung nicht abfinden wollen. Die Alhambra Gesellschaft versteht die Existenz der Muslime in Europa als eine historisch tiefe Verwurzelung des Anspruchs auf gesellschaftliche Teilhabe unterschiedlicher Glaubensangehöriger zum Wohle ihrer jeweiligen europäischen Heimat. Die Alhambra, als frühes architektonisches Merkmal europäisch-muslimischen Schaffens, wird dabei nicht als Symbol einer harmonischen und ausschließlich konfliktfreien gemeinsamen Geschichte missverstanden. Eine andalusische Convivencia wird nicht als interreligiöse Wohlfühlzone romantisiert.
Die Alhambra Gesellschaft ist sich vielmehr bewusst, dass die europäische Geschichte der Koexistenz mit dem Islam immer wieder von wechselseitigem Unrecht und Verfolgung geprägt gewesen ist. Sie nimmt diese Erfahrungen aber nicht zum Anlass, daraus eine historische Unvereinbarkeit und einen ewigen Antagonismus abzuleiten. Sie nimmt vielmehr die europäische Geschichte zum Anlass, aus ihr und aus ihren Fehlern und Erfahrungen den Auftrag abzuleiten, sich unermüdlich und beharrlich für eine freiheitliche und pluralistische Gesellschaft einzusetzen, in der jeder Mensch seinen Anspruch auf persönliche Freiheit und individuelle Entfaltung auch zum Wohle des Gemeinwesens und der Verständigung aller einsetzen kann. Es sind gerade die Unterschiede, die uns in Europa stark und erfolgreich machen, nicht ein konstruiertes Ideal der Homogenität und Überlegenheit.
Die Alhambra Gesellschaft geht davon aus, dass ein gemeinsamer Einsatz für eine solche europäisch Zukunft nur dann möglich ist, wenn sich Muslime gerade auch mit ihrer religiösen Identität uneingeschränkt zum Wohle der Allgemeinheit in die gesellschaftlichen Diskurse einbringen können.
Voraussetzung hierfür ist, dass Muslime selbstbestimmt, und nicht durch andere bestimmt, agieren können. Diese Voraussetzung der Selbstbestimmung durchdringt alle Ebenen. Muslime müssen selbstbestimmt nach ihrer Rolle im zukünftigen Europa nachdenken und diskutieren können.
Beeinflussungen von außen, die in europäischen Muslimen lediglich eine Verfügungsmasse im Wettstreit politischer Interessen erkennen wollen, sind bei der Entwicklung eines originären europäisch-muslimischen Bewusstseins hinderlich. Die Muslime in Europa müssen die Fragen, die sich aus ihrer Lebenswirklichkeit, aus ihrer gesellschaftlichen Präsenz und aus ihrer ureigenen inneren Vielfalt ergeben, eigenständig beantworten. Hierbei ist jeder Versuch der Fremdbestimmung – sei er im Geiste eines vermeintlichen Konservatismus und einer traditionellen Authentizität oder auch einer vermeintlichen Liberalität und Reformbegeisterung unternommen – zurückzuweisen. Nicht eine irgendwie imaginierte Veränderung des Islam ist die Lösung, sondern die Akzeptanz und die Entfaltung der innerislamischen Vielfalt, die ohnehin schon als europäische Realität präsent ist, sich aber noch nicht selbstbewusst artikulieren kann.
Die Alhambra Gesellschaft will sich deshalb insbesondere für die Artikulationsfähigkeit der Muslime in Europa einsetzen. Muslime erfüllen in gesellschaftlichen Diskussionen über den Islam, insbesondere in ihrer medialen Aufbereitung, viel zu häufig nur die Aufgabe, die durch Klischees über Muslime vorgefassten Rollenbilder auszufüllen. Dadurch werden extreme Positionen an den Rändern des muslimischen Spektrums künstlich zur vermeintlichen Stimme aller Muslime verstärkt. Eine Ausdifferenzierung muslimischer Inhalte und Perspektiven zur sinnvollen Ergänzung gesamtgesellschaftlicher Diskurse kann so nicht gelingen. Die Alhambra Gesellschaft will dieses System der dominierenden Rollenbilder durchbrechen und den differenzierten Ansichten und Argumenten von Musliminnen und Muslimen gerade auch im Rahmen eines innermuslimischen Diskurses Raum zur Entfaltung geben.
Die gesamte Gesellschaft soll die Gelegenheit haben, an den Prozessen innermuslimischer Meinungsbildung teilzuhaben. Gleichzeitig soll es Muslimen ermöglicht werden, eigene Gedanken und Positionen zu entwickeln, ohne zwanghaft die durch einen Diskurs „über“ und nicht „mit“ Muslimen vorgegebenen Rollen des „islamischen Apologeten“ oder des „islamkritischen Reformers“ einnehmen zu müssen.
Die Alhambra Gesellschaft will auch durch Seminarveranstaltungen, Bildungsangebote und Workshops ihre in den selbst entwickelten und erprobten Formaten gewonnen Erkenntnisse und Erfahrungen in die muslimische Basis hineintragen. Mit der Zeit wird die Alhambra Gesellschaft die Ergebnisse ihrer Arbeit als Instrumente der gemeindlichen Binnenbildung auch muslimischen Gemeinschaften und Moscheegemeinden zur Verfügung stellen und bei Interesse auch vor Ort gemeinsam mit den betroffenen Muslimen auf die jeweiligen Gemeinden zugeschnittene Angebote und Lösungen entwickeln.
Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, haben sich in der Alhambra Gesellschaft unterschiedliche Muslime zusammengefunden, die aus einem starken europäisch-muslimischen Selbstbewusstsein heraus mit aktivem Beispiel ihren Platz in der Mitte ihrer Heimatgesellschaft einnehmen. Die Alhambra Gesellschaft will ihre Ziele mit einem Vorstand umsetzen, der sich in Zukunft vor allem durch engagierte junge Muslime zusammensetzt. Somit werden junge Muslime die Gelegenheit erhalten, begleitet durch einen kompetenten Beirat, eigenverantwortlich ehrenamtliche Arbeit kennen zu lernen und in qualitativ hochwertiger Weise umzusetzen.
Darüber hinaus können alle, Muslime und auch Nichtmuslime, die Arbeit der Alhambra Gesellschaft als Fördermitglieder unterstützen.
Die Alhambra Gesellschaft schwelgt nicht in einer als Blütezeit idealisierten Vergangenheit und sie verliert sich nicht im Hadern mit Ausgrenzungserfahrungen der Gegenwart. Sie will sich für eine blühende europäische Zukunft einsetzen, die nur durch den Einsatz und die Teilhabe aller Menschen, mit all ihrer Vielfalt möglich werden kann.
Musliminnen und Muslime in ganz Europa können gerade auch mit ihrem Glauben einen wichtigen und wertvollen Beitrag für diese gemeinsame Zukunft leisten. Dafür setzt sich die Alhambra Gesellschaft ein – und dazu laden wir alle ein.